Type: Glossary Entry
Identifier:
distanzierungsmuster
Description
D wie Distanzierungsmuster. Rassismusdiagnosen stossen auf unterschiedliche Formen von Abwehr und Distanzierung. Ihnen ist gemeinsam, eine Auseinandersetzung mit Rassismus zugunsten eines unschuldigen Selbstbilds zu verhindern. Gängige Distanzierungsmuster sind räumlich-zeitliche Externalisierung (z. B. «Rassismus ist ein Problem der USA», «Früher war es viel schlimmer»), Privatisierung (Rassismus wird als Verfehlung einzelner oder Überempfindlichkeit der Betroffen bagatellisiert) oder Kulturalisierung (wenn Effekte von Rassismus als kulturelle Unterschiede interpretiert werden).
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Das Feststellen und Kritisieren von Rassismus, stösst in Politik, Medien und öffentlichen Institutionen oft auf unterschiedliche Formen von Abwehr. Wir nennen das in Anlehnung an Astrid Messerschmidt Distanzierungsmuster (vgl. →white fragility). In ihrer Wiederholung tragen Distanzierungsmuster dazu bei, dass Rassismusdiagnosen immer unpassend oder unangebracht wirken. Anstatt zu einer Auseinandersetzung mit Rassismus zu verhelfen, in der gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernommen werden kann, tragen sie zur Vorstellung von einer unschuldigen Schweiz bei, in der Rassismus keine institutionelle und strukturelle Dimension hat. Diese Distanzierung kann verschiedene Formen haben, wie räumliche und zeitliche Externalisierungen, Privatisierung und Kulturalisierung. Zeitlich-räumliche Externalisierung «Rassismus ist ein Problem der USA». Wenn die USA oder Südafrika im Vergleich zur Schweiz als beispielhaft für Rassismus dargestellt werden, wird Rassismus ins Ausland bzw. in (ehemalige) Kolonien verschoben. «Früher war es schlimmer.» Wenn behauptet wird, Rassismus spiele seit dem Zweiten Weltkrieg oder der UNO-Menschenrechtserklärung keine wesentliche Rolle mehr und komme allenfalls noch bei älteren Menschen vor, wird Rassismus in die Vergangenheit verlagert. «Das Problem sind Rechtsextreme». Wenn Rassismus als ausschliessliches Problem von rechten und rechtsextremen Randgruppen gesehen wird, wird unsichtbar, wie verwurzelt rassistische Weltvorstellungen auch in der Mitte der Gesellschaft sind. Privatisierung Privatisierung bedeutet hier, dass Rassismus als Verfehlung einzelner oder Überempfindlichkeit von Betroffenen bagatellisiert wird. Beispiele sind: Wenn sich ein rassistischer Vorfall ereignet und dieser als vereinzelte Handlung eines Individuums , beispielsweise aus «Dummheit» oder «Ignoranz» behandelt wird, wird die Normalität von Rassismus unsichtbar und das Problem privatisiert. «Du bist zu sensibel», «Anderen bereitet das kein Problem». Wenn der Ursprung des Leids im subjektiven Empfinden einer durch Rassismus benachteiligten Person verortet wird, wird Rassismus als Problem der Geschädigten privatisiert. «Dieser Vorwurf ist eine Frechheit.» Wenn ein Rassismusvorwurf als Affront skandalisiert wird, wird er ebenfalls als Problem der geschädigten Personen privatisiert. Kulturalisierung Kulturalisierung von Rassismus bedeutet, dass dessen Effekte als kulturelle Unterschiede interpretiert werden. Zum Beispiel: Wenn erstens davon ausgegangen, dass es eine nationale, religiöse oder kulturelle «Wir»-Gruppe gibt, die Vorrechte hat so dass «Andere» deswegen diskriminiert werden dürfen, und wenn zweitens behauptet wird, es handle sich dabei nicht um Rassismus, sondern um die Ausübung der eigenen (Vor-)Rechte gegenüber «Fremden. Kulturalisierung ist folglich eine Form gleichzeitig rassistisch zu handeln und Rassismus zu leugnen. Insbesondere →antimuslimischer Rassismus wird oft abgestritten, indem die vermeintliche Unvereinbarkeit der «fremden» Kultur mit der eigenen (→Othering) behauptet wird.