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▩ “Monument for a future in which the Lager will be History” (Installation)

Projekt mit Valentien V, N. Heinen
Text von em_

Fast zeitgleich zum Beginn meines Studiums an der ZHDK im Herbst 2019, und damit von about;;power in seiner jetzigen Form, wurde direkt neben der Zürcher Kunsthochschule das neue Zürcher Bundesasylzentrum eröffnet. Mit den Bundesasylzentren wurde auch ein neues Asylregime eingeführt, welches durch die Konzentration der Asylsuchenden in Bundeszentren und eine Verkürzung der Asylverfahren geprägt ist. Durch Ähnlichkeiten der Lagerunterbringung mit dem offenen Strafvollzug in Gefängnissen9 wie auch durch die verkürzten Verfahrenszeiten, nahm die Isolation der Menschen in Asylverfahren vom Rest der Gesellschaft massiv zu.

Die beiden Gebäude die aussehen als wäre das eine der verarmte Verwandte des Anderen, sind auf vielfältige Weise voneinander abgeschottet. Nicht zuletzt durch den Habitus ihres Klientels, ist meist sofort klar, wer wohin gehört. Zur Abschottung gehört aber auch, dass es zwischen den beiden Gebäuden eine breite Strasse gibt und viel Polizeipräsenz, aber keine Orte, die zum Verweilen einladen. Einer Partizipation, zum Beispiel am reichhaltigen kulturellen Angebot im Gebäude der Kunsthochschule, steht für die Bewohner:innen des BAZ nebst sozialen und sprachlichen Barrieren, eine Anwesenheitspflicht ab 22:00 im Wege. Ein weiterer zeitlicher Faktor sind die verkürzten Verfahren, welche nicht nur Rekurse erschweren, sondern auch jede Art von ankommen und Kontakte knüpfen am neuen Ort. All das führt faktisch zu einer Entfernung der geflüchteten Menschen aus der Öffentlichkeit. MFAFIWTLWBH wollte diese Isolation punktuell angreifen und infrage stellen, in dem es die beiden benachbarten Institutionen miteinander in Zusammenhang und in Kontakt brachte. Hierzu gab es zunächst Besuche von Studierenden im, dem Bundesasylzentrum angeschlossenen, Container des Quartierzentrums. Verschiedene Bewohner:innen des BAZ folgten daraufhin einer Einladung zu einer Tour durch die Kunsthochschule. Diese Tour war darauf ausgerichtet, dass sie den Nutzwert der öffentlich finanzierten Infrastruktur für Menschen die im BAZ untergebracht waren zugänglich machte. So wurde der Zugang zu Bibliothek und Dachterrasse gezeigt, aber auch ruhige Ecken und die zwei versteckten Duschen (oft ein knappes Gut im BAZ). Eine weitere Initiative war, das Veranstaltungsprogramm des Toni Areals im Bundesasylzentrum auszuhängen. Das vielfältige Angebot an Konzerten und Filmvorführungen stellte sich aber als nur sehr beschränkt zugänglich heraus, da die Bewohner*innen abends pünktlich zurück im Zentrum sein mussten, wollten sie nicht im Eingansbereich übernachten. Parallel zu den Besuchen und der Tour, wurde die Installation MFAFIWTLWBH geplant. Diese fand im Rahmen der langen Nacht der neuen Musik statt. Einer der Teilnehmenden an der Tour beteiligte sich auch aktiv an Vorbereitung und Aufbau der Installation. Weitere Personen aus der Gruppe, die die Tour mitmachte, besuchten neben weiteren eingeladenen und zufälligen Gästen, die Veranstaltung. Die Installation bestand aus:

  • einem provisorischen Archiv mit Materialien zum Bundesasylzentrum Duttweilerstrasse und zu Lagerpolitiken im Allgemeinen.
  • einem eisernen Doppelstockbett aus einem Zivilschutzbunker.
  • Schlag- respektive Prägbuchstaben und Hämmer.
  • ein sozialer Raum mit einem Teppich, Kaffeetischen, Tee und Snacks.
  • vier grossformatige Plakate mit Ansichten aus dem BAZ.

Die Besucher konnten sich mit dem behelfsmäßigen Archiv beschäftigen und es ergänzen, sich hinsetzen und unterhalten, das Etagenbett mit den Schlagbuchstaben gravieren. Letzteres war ein sehr lauter Prozess, der auch als Klangereignis gedacht war und in den Fluren des Gebäudes widerhallen sollte. Dafür, dass sie nur eine Nacht lang zugänglich blieb, war die Installation sicher etwas zu kompliziert aufgebaut. Das Eingravieren von Buchstaben in das Bunkerbett, der disruptive Klang den das verursachte, das Teestuben-Setup, das Instant-Archiv und die Fensterplakate bildeten zusammen ein kompliziertes Ensemble mit vielen Ebenen. Diese voll zur Entfaltung zu bringen, hätte der Wiederholung bedurft, einem proben, repetieren, einüben und kennenlernen. Es wäre ein Setup gewesen für Veranstaltungen zum Austausch und zur Diskussion.

Es stellt sich sicher auch die Frage, was überhaupt zu erreichen sei. Neben den hier vorgestellten Interventionen gab es auch diverse andere Initiativen von verschiedenen Personen die an den Hochschulen ZHAW und ZHDK arbeiteten und studierten. (Ich konzentriere mich hier auf diesen Rahmen - und lasse die zahlreichen Aktionen ausserhalb des Hochschulkontexts aussen vor.) Eine Zeit lang gab es hierzu auch Austauschtreffen, an denen verschiedene Positionen dazu vertreten wurde, was ein solches Engagement leisten könne und solle. Ging es vor allem darum, den Menschen im BAZ den Aufenthalt ein wenig zu erleichtern? Sicher ein Ziel, dass es wert war verfolgt zu werden. Aber musste nicht mehr versucht werden? Was waren eigentlich unsere Positionen zu Asylverfahren und Grenzpolitiken? Zur Klärung dieser Fragen kam es meines Wissens nicht.

Während es gute Gründe gibt, das ganze Asylregime infrage zu stellen, möchte ich mich hier auf den Aspekt der Isolation und Abtrennung vom Rest der Gesellschaft konzentrieren. Sie wird nicht nur räumlich und auf Verfahrensebene immer weiter verschärft, sondern fällt auch mit existierenden rassistischen und oft auch klassistischen Stereotypen zusammen. Diese Abtrennung ist Vorbedingung für eine Dehumanisierung, die wiederum Hand in Hand geht, mit einer Entwertung der Leben von PoC und dem Sterben-Lassen entlang der Migrationsrouten. Natürlich ändert eine Installation in einer Kunsthochschule daran nichts. Aber sie kann vielleicht ein Ort sein, an dem diese Zusammenhänge behauptet und diskutiert werden.

Dabei stellt sich natürlich die Frage, wer in einem solchen Rahmen mitdiskutiert. Um mehr als eine Diskussion unter denen die Rechte haben zu schaffen, müssten Beziehungen über Aufenthalts::rechts::privilegien::grenzen hinweg etabliert werden - zwischen Personen und Orten genauso wie interpersonell. Hätte die Installation einen permanenten Raum im Areal der Kunsthochschule gehabt (was grundsätzlich fast niemandem gelingt), wäre das vielleicht denkbar gewesen. Wenn ein Bezugsraum das BAZ ist, bleibt ein sich organisieren über aber aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer sowieso schwierig.

Aus diesen Überlegungen entstand ein Folgekonzept, das sich mit der Entfernung geflüchteter Menschen aus dem öffentlichen Raumbeschäftigte, das allerdings nie umgesetzt wurde. Trotzdem möchte ich es an dieser Stelle kurz beschreiben.

BAZ Radio Wormhole [Arbeitstitel]

BAZ Radio Wormhole besteht aus Sender und Empfängerboxen, die beliebig platziert werden können. Die Boxen werden fest installiert. Die Senderbox wird im oder am BAZ oder im Container der Sozialarbeit installiert. Empfängerboxen werden an gut etablierten halböffentlichen Orten zum Beispiel im bQm unter der Poly terrasse, im Cafe Z der ZHDK, im Stadthaus, Landesmuseum, etc. installiert. Auf dem Sender ist ersichtlich wo empfangen wird. Auf den Empfängern wird die privilegierte Verbindung ins BAZ beschrieben. Die Senderboxen verfügen über einen Line-Eingang der in Handys eingesteckt werden kann, um Musik abzuspielen. Es gibt eine Sprechtaste und ein rotes Licht, das umstehende darauf aufmerksam macht, wenn aufgenommen wird. Die Box kann jederzeit spontan aktiviert werden. Es können auch Interviews oder Gesprächsrunden organisiert werden. Hierfür kann am Line-Eingang ein Mischpult angeschlossen werden. Optionale Erweiterung: Session Start und End-Knopf, die Sessions werden verschlüsselt archiviert. Mit einem Zugangstoken können die Geflüchteten entscheiden, ob die Aufnahme gelöscht, gespeichert oder veröffentlicht werden soll. Gespeicherte Aufnahmen können zum Beispiel einem Anwalt zugänglich gemacht werden. Berechtigungen (Veröffentlichung) kann jederzeit von der Inhaberin des Tokens geändert werden, auch wenn diese zum Beispiel deportiert wurde.


Type: Document

Identifier:
Projektreflexion-MFAFIWTLWBH