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„___ Die historische Erkenntnis kann nur dem „Jetzt“ entwachsen, das heißt einem gegenwärtigen Zustand unserer Erfahrung, wenn aus dem ungeheuren Fundus von Texten, Bildern und Zeugnissen der Vergangenheit ein Augenblick des Erinnerns und der Lesbarkeit hervortritt, der – und dies ist grundlegend für Benjamins Konzept – als kritischer Punkt erscheint, als Symptom, als ein Unbehagen in der Tradition, die bislang der Vergangenheit ihr mehr oder weniger wiedererkennbares Tableau verlieh. Diesen kritischen Punkt nun nennt Benjamin ein Bild – womit er natürlich keine hübsche Pinselei meint: ein „dialektisches Bild“, das er beschreibt als die Art, wie „das Gewesene mit dem Jetzt blitzhaft zu einer Konstellation zusammentritt.“15 Der Blitz in dieser Formulierung spricht von der Flüchtigkeit und Fragilität dieser Erscheinung, die man im Fluge erfassen muß, weil sie allzuleicht ungesehen vorübergehen kann; die Konstellation spricht von der großen Komplexität, der Dichte sozusagen, der Überdeterminiertheit dieses Phänomens, vergleichbar einem fossilen Tier, das sich bewegte, das aus einem Anflug vorüberhuschenden Lichts bestünde, etwa so wie ein übergroßes vorüberflackerndes einzelnes Filmbild. Auch von der Notwendigkeit der Montage spricht diese Formulierung: damit der Blitz – diese Monade – nicht abgetrennt bleibt von dem mannigfaltigen Himmel, aus dem er flüchtig hervortritt.16“ - W. Benjamin, Das PassagenWerk [1927–1940]. In: W. Benjamin, Gesammelte Schriften. Bd. V, 1. Frankfurt am Main 1982, S. 575 (N 2,6); fortan: Benjamin 1982“ (Hubermann 2015:14f)