Type: Glossary Entry
Identifier:
gadjerassismus
Description
G wie Gadjé-Rassismus (oder umstrittener Antiziganismus) bezeichnet den Rassismus gegen Rom*nja, Sinti*zze und Jenische und Menschen, die als solche wahrgenommen werden. Seit Jahrhunderten erfahren sie in Europa Verfolgung, Vertreibung, Assimilation, Entrechtung und Gewalt. Der Porajmos (Völkermord) durch das NS-Regime wurde lange nicht als Genozid anerkannt. Die Schweizer Fremdenpolizei wurde u. a. zur Verfolgung von Fahrenden geschaffen. Die halbstaatliche Stiftung Pro Juventute war bis 1972 verantwortlich für 600 Fälle, in denen Fahrenden die Kinder weggenommen wurden.
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Fundus meint den Ort, an dem gebrauchte Kostüme, Requisiten und Gedanken aufbewahrt werden, bis wir sie wieder verwenden. Weil es viel zu aufwendig, ja gar nicht möglich wäre, jeden Gedanken im Moment des Denkens neu zusammenzunähen, greifen wir auf einen Fundus zurück. Neben unserem persönlichen Erfahrungsfundus gibt es auch eine Art gesellschaftlichen Fundus. Alte Gedanken werden hervorgeholt, um mit einer neuen Situation umzugehen und diese einzuordnen. Manchmal muss der Fundus aufgeräumt werden. Man möchte dann auch mal sagen, jenes Kostüm dort gehört auf den Müllhaufen. Denn es erzählt auch in neuen Theaterstücken immer wieder die gleiche alte Geschichte mit, für die es einmal genäht worden ist (vgl. ). Andere Kostüme müssen vielleicht umgenäht werden, damit sie neue Geschichten erzählen können. Das Geschichtenerzählen ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit. Manche Geschichten sind zum Beispiel rassistisch. Wir möchten sie nicht mehr ständig erzählt bekommen, weil Rassismus überwunden gehört.
Der Fundus ist also ein gesellschaftlicher Bestand an Wissen, Bildern und Gegenständen, auf die bei Bedarf zurückgegriffen wird, um einzuordnen und zu erklären. Bestandteile des Fundus werden allgemein wiedererkannt. Der Fundus prägt, wie Neues aufgefasst und welche Aussagen darüber gemacht werden. Was in den Fundus aufgenommen oder daraus entfernt wird, ist weltbildend und Gegenstand von politischen Aushandlungen. Nicht alle Erfahrungen schlagen sich im Fundus nieder (vgl. ). Besonderen Einfluss auf die Verwaltung des Fundus haben z. B. →Museen.
Ein historisches oder ethnologisches →Museum hat in diesem Sinne einen eigenen Fundus, wozu die Sammlung gehört, aber auch die sonstige Ausstattung sowie die Diskurse rund um dieses Museum. Sammlungskurator:innen, müssen sich zum Beispiel immer wieder überlegen, wie sie mit ihrer Sammlung umgehen und was sie daraus für die Ausstellungen auswählen. Wie setzen sie diese ausgewählten Objekte mit dem Rest der Welt in ein Verhältnis? Was schreiben sie in den Katalog, der die Sammlungsstücke aufführt und wen beziehen sie in diesen Prozess ein? Auch Museen erzählen mit ihren Ausstellungen Geschichten. Diese wirken glaubwürdiger als andere Geschichten, weil sie durch imposante Gebäude und glänzende Vitrinen gerahmt sind. Dass Museen so viele «originale» Objekte im Depot haben, die als Zeugen für ihre Geschichten präsentieren können, verleiht diesen Geschichten zusätzliches Gewicht.
G wie Gadjé-Rassismus
Gadjé-Rassismus ist der spezifische Rassismus gegen Rom:nja, Sinti:zze und Jenische, sowie gegen Menschen, die als solche wahrgenommen werden. Jahrhundertealte und tief verankerte Stereotype führen bis heute zu Diffamierung, Verfolgung, Assimilationszwang, Ausgrenzung, Entrechtung und Gewalt. Porajmos (romanes: «das Verschlingen») beschreibt den Völkermord an Rom:nja, Sinti:zze und Jenischen in Europa. Der Porajmos wurde erst 2015 als Genozid anerkannt. Angehörige mussten lange dafür kämpfen, als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung anerkannt zu werden und haben bis heute teilweise keine Wiedergutmachungsleistungen erhalten. Wiederkehrende gadjé-rassistische (→kontrollierende Bilder) zeigen sie in zerlumptem Äusserem auf der Landstrasse, als Wahrsager:innen und Diebe. Die Darstellung von Rom:nja und Sinti:zze war ein beliebtes Motiv für den Buchstaben Z in ABC-Büchern. Auch das s/exotisierende Bild der selbstbewussten, verführerischen «Z.» wird in der Unterhaltungsindustrie immer wieder ausgebeutet. Die tatsächliche (oft auch unter Zwang) oder zugeschriebene fahrende Lebensform, wird dabei immer wieder als Gegensatz zum bürgerlichen Leben dämonisiert oder glorifiziert. Der Gadjé-Rassismus führte zu einer «Ethnisierung» von fahrenden Lebensweisen, die über Jahrhunderte von unterschiedlichen marginalisierten Gruppen gepflegt wurden. Auch vermeintlich positive, «romantische» Vorurteile beruhen auf einer rassistischen Pauschalisierung (vgl. →Exotisierung).
Der Begriff Antiziganismus wird als Synonym von Gadjé-Rassismus ebenfalls verwendet. Der Begriff ist zwar etabliert, aber umstritten, weil er auf einem rassistischen Begriff beruht. Gadjé-Rassismus ist im deutschsprachigen Raum verbreitet und betont, dass Rassismus von Gadjés (rRomanes: «Nicht-Rom:nja») ausgeht.
In der Schweiz wurde die fahrende Lebensweise im 19. Jahrhundert verboten. Später gab es eine Anerkennung der Jenischen Minderheit, nicht aber anderer Gruppen.
Die «Fremdenpolizei» der Schweiz entwickelte sich anfangs des 20. Jahrhunderts wesentlich als Repressionsapparat gegen Fahrende. Die Aktualität des Gadjé-Rassismus zeigt sich in der Schweiz regelmässig in den Debatten um Stellplätze.
Es gab ausserdem in der Schweiz verschiedene Formen der Zwangsassimilation. Das Projekt «Kinder der Landstrasse» der halbstaatlichen Stiftung Pro Juventute entriss von 1926 bis 1972 Kinder von Fahrenden ihren Familien, um sie in die Dominanzgesellschaft einzugliedern. Für die Verwandten unauffindbar gemacht, wurden sie in Heimen, psychiatrischen Anstalten, Fremdfamilien und Gefängnissen untergebracht oder verdingt.