A wie anti-Indigener Rassismus bezeichnet Diskriminierung von Indigenen Menschen (→Indigenität). Deren →Othering als «edle Wilde» oder «vom Aussterben bedroht», aber auch die Projektion einer verlorengeglaubten Naturverbundenheit oder Abenteuergeschichten führen dazu, dass Indigene Menschen als einer anderen Zeit und Realität zugehörig wahrgenommen werden. Die tradierten Bilder verharmlosen die Gewalterfahrungen Indigener Menschen und befördern ihre Marginalisierung. So vernichten Zwangsvertreibung und -umsiedlung, Genozid, Kindeswegnahme, Assimilation, Überausbeutung und Marginalisierung seit dem Kolonialismus die Leben und Lebensgrundlagen Indigener Menschen.
Das Wort «I-» für Indigene Menschen aus den Amerikas ist eine eurozentrische Fremdbezeichnung.
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Anti-Indigener Rassismus bezeichnet die koloniale Gewalt und die Diskriminierung gegen Indigene Menschen (→Indigenität). Um die→koloniale Politik ihrer Unterwerfung und Enteignung zu rechtfertigen, wurden Indigene Bevölkerungen als moralische und physische Bedrohung für die «zivilisierten» Europäer:innen dargestellt. Parallel dazu wurden sie bereits in den Anfängen des Imperialismus und Siedlerkolonialismus als «vom Aussterben bedroht» oder schon «ausgestorben» dargestellt. Die darauf fussende Erzählung von einem einem «Niemandsland», machte die koloniale Gewalt gegen Indigene Menschen unsichtbar.
Während viele Kolonien seither die formelle Unabhängigkeit erlangt haben, dauert der interne Kolonialismus für die Indigenen Bevölkerungen an. Bis heute werden die Leben (und Lebensgrundlagen) Indigener Menschen durch Zwangsvertreibung und -umsiedlung, Genozid, soziale Überwachung, Kindeswegnahme und Assimilation in die dominante Gesellschaft, Überausbeutung und sozioökonomische Marginalisierung bedroht und vernichtet. Unter anderen waren auch katholische Missionen aus der Schweiz massgeblich an Zwangsmissionierung sowie, sexueller und physischer Gewalt an Indigenen Kindern in Kanada beteiligt.
Entsprechend drehen sich die Kämpfe oft weniger darum als →rassifizierte «Minderheiten» oder «Mitbürger:innen» in die bestehende Gesellschaft aufgenommen zu werden. Im Zentrum stehen stattdessen primär, die Souveränität über Territorien und über eigene Lebens- und Wissensformen (etwa Sprachen) wiederzuerlangen. Diese indigenen Kämpfe werden in der Gegenwart oft als Hindernis für den staatlichen «Fortschritt» diffamiert und attackiert und als partikulare Interessen dargestellt.
Die Bezeichnung «I-» für Indigene Menschen aus Nordamerika ist eine eurozentrische Fremdbezeichnung, die darauf zurückgeht, dass Christoph Kolumbus auf der Suche nach einer westlichen Route nach Indien auf dem amerikanischen Kontinent anlegte und dessen Bewohner:innen entsprechend benannte. Während einige wenige das Wort als →Selbstbezeichnungen übernommen haben, wird es weitgehend als diffamierend empfunden und abgelehnt.
Die europäische Figur des «edlen Wilden» existiert seit Beginn des Kolonialismus (16. Jahrhundert) und wird nach wie vor aufgerufen. Die Vorstellung von einem naturverbundenen, ausserhalb der Geschichte stehenden Menschen, übt als Gegensatz zu einem vermeintlich entfremdeten Westen Faszination aus. Vorgeblich Indigene Praktiken werden erlernt, oder eingespielt, um die verloren geglaubte Beziehung zur Natur wieder einzuüben. Dieses →Othering entstammt einer Beschäftigung «des Westens» mit sich selbst und sagt über die Lebensrealitäten Indigener Menschen wenig aus. Stattdessen verharmlost es die Gewalterfahrung Indigener Menschen.
Dem gegenüber führt die europäische Selbstkritik an dieser Projektion wiederum zu einer→eurozentrischen Nabelschau, durch die tatsächliche historische und gegenwärtige indigene Positionen unhörbar und deren historische Bedeutung zur →Leerstellewerden. So legen etwa die Beiträge indigener Forscher:innen wie Georges Sioui, Barbara Alice Mann oder John Steckley den Schluss nahe, dass es bedeutende indigene Beiträge zu den Debatten der Aufklärung in Frankreich gegeben hat. Mindestens einer davon liegt sogar als schriftlicher Dialog vor. Dessen indigener Part, eine Figur namens Adario, wurde irrigerweise als eine Erfindung des europäischen Verfassers behandelt, geht jedoch auf die historische Person Kandiaronk zurück.